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(Eine Backsteinwand: Perfekt für Objektivtests)

 

Welches Objektiv soll ich mir kaufen? Sind teure Objektive immer besser? Wie stark sind Randunschärfen ausgeprägt? Sind Farbsäume an Kontrastkanten sichtbar? Sind Festbrennweiten besser als Zoom-Objektive?

Diese und ähnliche Fragen werden mir bei meinen Workshops häufig gestellt. Und das ist mehr als verständlich, kosten doch die vermeintlichen Profi-Objektive gerne weit über 1.000€, von den High-End Teleobjektiven jenseits der 200mm mal ganz abgesehen. Niemand möchte viel Geld für ein neues Objektiv ausgeben, um dann enttäuscht feststellen zu müssen, dass die neue Optik nicht die erhoffte Bildqualität liefert.

RAW Akademie Blog: Der Backsteinwandtest: Welches Objektiv ist das Beste?
Zwei Objektive mit fast identischem Brennweitenbereich. Links Weitwinkel-Zoom 
18–35mm/1:3,5–4,5 für 859€ (UVP), rechts Weitwinkel-Zoom 16–35mm/1:4 für 1.409€ (UVP). 
Macht sich der Preisunterschied von 550€ auch in der Bildqualität bemerkbar? 
(Bildquelle: Nikon GmbH)

Zum Glück muss keiner die Katze im Sack kaufen. Die meisten Fotofachhändler bieten die Möglichkeit Objektive vor dem Kauf für ein paar Tage auszuleihen, um sie in Ruhe testen zu können. Das Angebot sollte man unbedingt nutzen, und zwar für den Backsteinwandtest!

Backsteine im Test

„Die maximale Schärfeleistung eines Objektivs liegt zwei bis drei Lichtwerte über seiner Anfangsblende“, so eine fotografische Faustformel. Aber wann sind es zwei Lichtwerte und wann sind es drei? Sind es vielleicht auch schon einmal vier Lichtwerte und wovon hängt das ab? Mir ist kein Regelwerk bekannt, von dem sich eine verlässliche Aussage ableiten lässt. Ich verlasse mich nicht auf eine ungenaue Faustformel oder vermeintlich professionelle Tests und Grafiken aus dem Internet. Stattdessen mache ich für jedes neue Objektiv vor seiner Verwendung einen Backwandsteintest.

Der Backsteinwandtest gibt praxistauglich darüber Auskunft, bei welcher Brennweite und Blende ein Objektiv seine maximale Schärfeleistung liefert. Ganz nebenbei erfährt man, wie es um die tonnenförmige und kissenförmige Verzeichnung, Randunschärfen, den Lichtabfall am Rand des Objektivs und die chromatische Abberation bestellt ist.

RAW Akademie Blog: Der Backsteinwandtest: Die Wand
Die Backsteinwand als Testobjekt.

Versuchsaufbau

Neben der Kamera, dem Objektiv und einer Backsteinwand brauchen Sie für den Versuchsaufbau noch ein Stativ und einen Draht- bzw. Fernauslöser. Die Verwendung eines Drahtauslösers hilft Unschärfen durch Verwackeln beim Auslösen zu vermeiden. Prüfen Sie die minimale Fokusdistanz des Objektivs und stellen Sie das Stativ etwas weiter entfernt als die minimale Fokusdistanz des Objektivs vor der Wand auf. Richten Sie die Kamera mit der Sensorebene parallel zur Wand aus, um Schärfentiefe-bedingte Fehler zu vermeiden. Der virtuelle Horizont Ihrer Kamera und/oder eine in den Blitzschuh einsteckbare Libelle hilft bei der genauen Ausrichtung. Abschließend stellen Sie mit einem Blick durch den Sucher sicher, dass das gesamte Bild einen Teil der Mauer erfasst. Stellen Sie die Kamera in den Zeitautomatik-Modus, damit alle Aufnahmen identisch belichtet werden. Bewölkte Tage mit ihren gleichmäßigen Lichtverhältnissen sind für die Durchführung des Bachsteinwandtests am besten geeignet.

Der Test

Mit einer Festbrennweite machen Sie eine Aufnahmeserie mindestens für jeden ganzen Blendenwert. Eine Aufnahme bei der größten Blendenöffnung (meist 2.8 oder größer), eine Aufnahme bei Blende 4,0, bei Blende 5.6, bis zur kleinsten Blende.

Bei Zoomobjektiven reicht es, sich an den Brennweiten-Intervallen zu orientieren, die in den Tubus eingraviert sind. Für das in diesem Test verwendete 35-70’er Zoom habe ich Aufnahmeserien für die Brennweiten 35mm, 50mm und 70mm fotografiert.

Testergebnisse

Prüfen Sie die Bilder einer Aufnahmeserie (je Brennweite) in Ihrem Bildbearbeitungsprogramm; bei einer Vergrößerung von 100%. Durch den Vergleich der Aufnahmen werden Sie schnell herausfinden, welche Blende die maximale Schärfe liefert.

100% Vergrößerung bei 35mm Brennweite: Der Vergleich von Blende 2,8 und 8 offenbart 
einen erheblichen Qualitätsunterschied in den Bildecken. (Zum Vergrößern klicken)
100% Vergrößerung bei 35mm Brennweite: Selbst in der Bildmitte zeigt sich von 
Blende 8 (links) zu Blende 11 (rechts) noch eine Verbesserung der Bildschärfe.
(Zum Vergrößern klicken)

Wenn Ihre Bildbearbeitungs-Software den direkten Vergleich mehrerer Aufnahmen bei 100%iger Vergrößerung erlaubt—wie zum Beispiel Adobe Lightroom—, nutzen Sie diese Funktion, das erleichtert die Auswahl.

Fotos in Lightroom vergleichen (Tastenkombination Strg-C (Windows), Cmd-C (Mac)), hier 
bei 100% Vergrößerung. (Zum Vergrößern klicken)

Sie werden sehen, dass die Gesamtschärfeleistung des Objektivs beiderseits der optimalen Blende abnimmt. Abhängig von der Stärke der auftretenden Unschärfe sollten Sie dann beim Fotografieren alle Blendenwerte meiden, die einen deutlichen Schärfeverlust aufweisen, das Gleiche gilt für die Randunschärfen.

Durch die (mehr oder weniger) gerade Linienführung der Backsteinwand werden auftretende kissenförmige und tonnenförmige Verzeichnungen gut sichtbar, ebenso die Stärke von Randunschärfen in den Bildecken und eine mehr oder weniger ausgeprägte Vignettierung.

Mit dem Wissen um die möglichen optischen Schwächen Ihrer Objektive sind Sie zukünftig vor unliebsamen Überraschungen gefeit.

 

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