(Bier trinken statt Bildbearbeitung.)
Es gab einmal eine Zeit, da war für den Fotografen nach dem Fotografieren Feierabend. Wenn der Film belichtet war, war die Arbeit getan. Kein Speicherkartengefummel, kein Importieren in die Bildbearbeitung, keine stunden- oder tagelange Bildbearbeitungssitzung mit nicht enden wollendem Fine Tuning in Lightroom, Capture One oder Photoshop.
Und wenn dann noch technische Probleme mit den PC hinzukommen, ist richtig Alarm.
Damals hatten wir noch Zeit nach dem Fotografieren einfach einmal ein Bier trinken zu gehen, weil die fotografische Arbeit ja getan war. Schöne Zeiten waren das. Und heute? Kaum ist das Fotografieren beendet ist, geht es an den Rechner für das perfekte Bild. Früher hat der Fotograf fotografiert und die Entwicklungsanstalt hat die Filme entwickelt. Fertig! Heute dürfen wir selber entwickeln. Toll!
Wenn’s mal wieder länger dauert: Die 15 Ausgansbilder für das Panorama liefern wegen des Nebels nicht genügend Strukturen und Muster für die Panorama-Software. Dann führt kein Weg am zeitaufwändigen manuellen Zusammensetzen und Überblenden in Photoshop vorbei. (Klicken zum Vergrößern)
Zurück in die Zukunft
Doch das hat nun vielleicht bald (wieder) ein Ende und wir können uns schon einmal auf das Bier zum Feierabend freuen. Denn jetzt kann der Computer die Bildbearbeitung alleine übernehmen, Künstlicher Intelligenz (KI) sei Dank. Auch im Bereich der Fotografie und Bildbearbeitung sind seit vielen Jahren Forscher-Teams damit beschäftigt intelligente und selbstlernende Software zu entwickeln. Denn nicht nur werbende Kaufempfehlung im Online-Handel, der Milch-bestellende Kühlschrank oder die Steuerungssoftware im selbstfahrenden Auto sind Anwendungsfelder für künstliche Intelligenz. Auch für den Fotografen und Bildbearbeiter geht mehr.
Vergleichsweise einfache Automatismen kennen wir ja schon aus mit dem Rote Augen entfernen und der Gesichtserkennung in Lightroom oder dem inhaltsbasierten Füllen in Photoshop. Bereits in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich die KI-Forschung auf den langen Weg in die heutige IT aufgemacht. Inzwischen kommt sie auch in der Bildverarbeitung an.
KI Bildbearbeitung
Einen Vorgeschmack auf die schöne neue Bildbearbeitungswelt gibt es bei Algorithmia. Mit dem KI-Ansatz Deep Learning gelingt es auf fast magische Weise Schwarzbilder automatisch zu kolorieren. Eine Handvoll Beispielbilder stellt die Software-Schmiede auf ihrer Web-Seite bereit. Dort können Sie auch eigene Fotos hochladen, um auszuprobieren wie gut das klappt. Dazu stellen Sie ein Foto auf einer Web-Seite bereit und fügen die entsprechende Adresse im Feld „Paste the URL to an image to colorize it“ ein. Nach der Berechnung wird Ihnen eine Vorher-Nachher-Ansicht Ihres kolierten Fotos angezeigt.
Automatisches Kolorieren per Künstlicher Intelligenz. Nachher-Vorher-Beispiele von Algorithmia. (Klicken zum Vergrößern)
Ich habe das natürlich mit einigen meiner Bilder ausprobiert. Die Ergebnisse sind schon ganz ordentlich.
Automatisches Kolorieren mit Algorithmia mit zwei meiner Bildbeispiele (Nachher- Vorher). (Klicken zum Vergrößern)
KI Verschlagwortung
Bei kleinen Fotoarchiven mag der Fotograf noch ohne Schlagworte für seine Fotos auskommen. Doch mit wachsendem Fotobestand ist das irgendwann nicht mehr sinnvoll möglich. Wollen Sie jederzeit alle Bilder in dem jeweils nötigen Kontext finden und sehen, kommen Sie um die Vergabe von Stichworten nicht herum. Doch das Ganze hat einen Haken: es kostet erst einmal Zeit. Eine gute und durchdachte Schlagwortstruktur, mithin Stichworthierarchie braucht Zeit. Bei der Konzeption, bei der dauerhaften Pflege, bei der Weiterentwicklung und bei der immer wieder einmal nötigen Strukturanpassung. Das Ganze nimmt umso mehr Zeit in Anspruch, je länger Sie sich mit der Verschlagwortung Zeit lassen.
Mit Stichwort-Hierarchien ist das Suchen und Finden von Fotos im Bildarchiv effizient und zeitsparend.
Doch damit ist schon jetzt Schluss. Statt mühsam und immer wieder aufs Neue jedem Bild die richtigen Schlagworte zuzuordnen, übernimmt das jetzt eine Software für Sie: Excire. Die auf neuronalen Netzen basierende Technik stammt von der Lübecker Firma Pattern Recognition Company (PRC). Auf der Grundlage von Mustererkennung werden die Fotos analysiert und den zurzeit hundert Suchbegriffen zugeordnet, die nach und nach erweitert werden.
Die Software hat den Laborstatus bereits hinter sich. Excire gibt es als Plug-In für Lightroom. Bis zum Ende dieses Monats nur für Mac OS X, weshalb ich eigene Tests noch schuldig bleiben muss. Doch bis zur diesjährigen Photokina gibt es die Software auch für Windows. Wer wie ich kein Mac OS X nutzt, kann sich derweil einen ersten Eindruck mit der Online Demo verschaffen, die ist auf der Demoseite der Herstellers verfügbar.
Screenshot der Online Demo von Excire.
Ob Sie nun lieber Bier oder Wein trinken, Kaffee oder Tee, in jedem Fall wird es spannend, was die KI-Forschungslabore und Startups für Fotografen und Bildbearbeiter entwickeln werden. Vielleicht sitzen wir ja eines Tages im selbstfahrenden Auto, das nebenbei auch schon die Fotos des gerade beendeten Foto-Shootings verschlagwortet und bearbeitet. Zuhause angekommen brauchen wir uns dann nur noch die fertigen Bilder ansehen und beim Bier, Wein, Kaffee oder Tee entscheiden welche Bilder gelöscht werden können. Aber wahrscheinlich gibt es dann auch dafür einen Algorithmus, der das von uns bereits gelernt hat.